..... 1929
Und so begann alles.
Schon zu allen Zeiten war das Marktwesen der Stadt Eberbach lebendig. Im Jahr 1394 gewährte Pfalzgraf Ruprecht I. der Stadt Eberbach einen ewigen Jahrmarkt auf St. Egidientag. In der Verfügung wurde den Besuchern des Marktes freies Geleit - 3 Tage vorher und 3 Tage nachher - zugesichert.
Pfalzgraf Otto, der im Jahre 1461 erstarb und dessen gleichnamiger Sohn die Regierung danach übernahm, war es, der einen zweiten Markt zuließ.
Grund dieses zweiten Marktes: Die Stadt hatte ein neues Rathaus gebaut. Um die Schulden für den Neubau abzutragen, musste notgedrungen eine neue Einnahmequelle geschaffen werden, eben diesen zweiten Markt. Pfalzgraf Otto II. erließ eine entsprechende Marktordnung.
Die Krämermärkte wurden gehalten an den Montagen nach Judica, vor Pfingsten und nach Batholomä und am letzten Donnerstag im November. Viehmärkte wurden gehalten an allen Monaten mit Ausnahme Dezember und Januar. Fruchtmärkte jeden Montag; war dieser Tag ein Feiertag, wurde der Dienstag genommen. Die Krämermärkte nahmen mittags 12 Uhr, die Viehmärkte morgens 9 Uhr ihren Anfang.
Im Jahre 1929 fand im Eberbacher Marktwesen eine Veränderung statt. Der damalige Bürgermeister der Stadt Eberbach Dr. Karl Frank* (1900-1974) hat die vielen kleinen Märkte, die sich als zwecklos erwiesen, aufgehoben. Dabei wurde er vom damaligen Vorsitzenden des Verkehrsvereins unterstützt.Auch die gewerbetreibende Bürgerschaft war dabei, einen größeren Markt ins Leben zu rufen. Der Beschluss hierzu fiel am 26.4.1928
Nun musste man einem größeren Markt auch einen Namen geben, Bürgermeister und Gemeinderat besannen sich auf den Kuckucksprozeß im Jahre 1604 und nannten den neuen Markt "Kuckucksmarkt".
Erstmals wurde er vom 5. - 7. Oktober 1929 durchgeführt.
Durch den zweiten Weltkrieg wurde der Markt unterbrochen. Aber gleich im Jahre 1946 wurde er wieder durchgeführt. Dauer des Marktes damals 8 Tage.
Bis 1957 wurde der Neckarlauer als Marktgelände genutzt. Im Jahre 1958 erfolgte die Verlegung des Marktes in die Altstadt, da die Umgehungsstraße (heutige B37) gebaut wurde. Der Markt wurde auf 5 Tage verkürzt.
Seit dem Jahre 1981 wird der Markt in der Au abgehalten. Zeitpunkt des Markte: Ab Freitag vor dem letzten Sonntag im August bis Dienstag danach. 5 Tage.
* Dr. jur. Karl Frank war von 1927-1931 Bürgermeister in Eberbach, danach bis 1945 Oberbürgermeister von Ludwigsburg. 1951 wurde er Finanzminister des Landes Württemberg-Baden, mit Gründung des "Südweststaates" 1952 dann Finanzminister des Landes Baden-Württemberg. Dieses Amt führte er bis 1960.
Aus dem Eberbacher Geschichtsblatt 1930, Seite 15
4.-6. X. 1929: Die Stadtgemeinde veranstaltet erstmals in Verbindung mit dem Verkehrsverein einen großen Jahrmarkt in Eberbach, nachdem die früheren kleinen Krämermärkte, welche sich als zwecklos erwiesen haben, aufgehoben worden sind. Der Kuckucksmarkt wird durch eine feierliche Veranstaltung im Festzelt in Gegenwart von besonders geladenen Gästen eröffnet. Nach der Festansprache des Bürgermeisters ergreift auch der gleichfalls erschienene Minister des Inneren, Dr. Remmele das Wort, um die Sympathien der Badischen Staatsregierung zum Ausdruck zu bringen. Am Abend finde unter großer Beteiligung der gesamten Bürgerschaft ein Festakt im Festzelt statt, wobei ein Theaterstück von Bürgermeister i.R. Dr. Weiss "Die Kuckucksgeschichte" zur Aufführung gelangt. Der Markt zerfällt in einen Vergnügungspark, einer Ausstellung gewerblicher Erzeugnisse, eine landwirtschaftliche Ausstellung über Getreide, Obst usw. und in eine Viehausstellung und einen Viehmarkt. Viehmarkt und Viehausstellung findet am letzten Tag statt und sind zahlreich beschickt.
Das Eberbacher Fest der Feste in der Au - Zur wirtschaftlichen Belebung der Stadt gegründet
Ein Bericht von Rainer Hofmeyer in der Rhein-Neckar-Zeitung am 10. August 2013
So vergeht Jahr für Jahr. Kaum hatte noch im letzten August der alte Bürgermeister seinen Gegenkandidaten bei der Eröffnung im Festzelt auf die Bühne geholt, da muss der Nachfolger in wenigen Tagen schon beweisen, ob er es mit dem Fassanstich genauso gut kann wie alle Vorgänger. Bald ist wieder das angesagte August-Wochenende gekommen: Das Eberbacher Fest der Feste steht an, der Kuckucksmarkt. Ins Aufgabenheft der Stadtverwaltung sei schon jetzt geschrieben: In zwei Jahren gibt es einen Jubiläumsmarkt. Will heißen: Dieses Mal gibt es die Auflage Nummer 78.
Der Kuckucksmarkt war von Anfang an nicht nur als pures Vergnügen gedacht. Als er vom 4. bis 6. Oktober 1929 zum ersten Mal ausgerichtet wurde, erhoffte man sich einen wirtschaftlichen Aufschwung. Eberbach hatte 1924 das Badische Bezirksamt verloren und war in der Bedeutung damit eine Stufe nach unten gerutscht. Der Markt sollte Impulse für Handel und Fremdenverkehr bringen. Es gab einen Vergnügungspark, Ausstellungen von Gewerbe und Landwirtschaft sowie einen Viehmarkt. Die Eingebung mit dem Eberbacher Spott-Namen "Kuckuck" hatte übrigens der Verkehrsverein, der Vorläufer des Bürger- und Heimatvereins.
Bei aller "Sympathie der Badischen Landesregierung": So einfach konnte man keinen Jahrmarkt ins Leben rufen. Die Eberbacher bezogen sich auf ein altes Marktrecht. Landesherr Pfalzgraf Ruprecht II. erlaubte Eberbach 1394, also vor jetzt rund 620 Jahren, einen Jahrmarkt zum Sankt-Ägidius-Tag am 1. September. "Zum Nutzen der Stadt und des Landes", wie Rüdiger Lenz vom Stadtarchiv zu belegen weiß. Jedermann hatte Zutritt zur Stadt, freies Geleit drei Tage vor und nach dem Markttag - nur Diebe und Mörder ausgenommen. Eberbach war damals ein bedeutendes Gemeinwesen, hatte den Sitz einer pfälzischen Vogtei.
Der Eberbacher Kuckucksmarkt ist inzwischen an seinem dritten Standort und läuft über fünf Tage. Ab dem Startschuss 1929 bis zum Bau der Uferstraße B 37 war das Festgelände am Lauer. Vom riesengroßen Bierzelt über Boxbuden, aus Tannenstämmen gezimmerten Bier- und Weinbuchten bis hin zu Kettenkarussell, Geisterbahn und großem Riesenrad - alles vollständig vertreten, was einen prächtigen Rummel ausmacht.
An die Bude mit der "Dame ohne Unterleib" weiß sich mancher alte Eberbacher heute noch zu erinnern, an "Taburi, den Mann in der Starre", an den türkischen Honig aus Geurtschins Wagen - letzterer steht heute noch unter anderem Namen und modernisiert auf dem Platz. In den Jahren nach dem Krieg wollte plötzlich keiner mehr Lose kaufen, klagten die Marktleute. Und darüber hinaus gab es Gestöhne der Schießbudenbesitzer: "Die Deutschen wollen keine Gewehre mehr in die Hand nehmen". In einem alten Eberbacher Notizbuch findet sich eine andere Erklärung für die Zurückhaltung: "Wer bringt denn seiner Herzensdame eine selbst geschossene Papierrose vom Kuckucksmarkt mit?"
Mit dem Bau der B 37 als Umgehungsstraße war der Festplatz am Lauer weg. Also zog der Markt in die Altstadt und ihre nähere Umgebung. Das große Festzelt stand zuerst auf dem Turnplatz bei der Neckarbrücke. Die Fahrgeschäfte wurden anfangs überwiegend im Hof der Dr.-Weiß-Schule aufgebaut. Eberbach hatte selbst drei Schausteller, die den Kuckucksmarkt beschickten. Heil, Frank und Retzbach: Autoscooter, Schießbude und Verlosung wurden von den heimischen Unternehmen im Wechsel betrieben. Eine weitere Eberbacher Galanummer war das Zelt von Küfer Helm mit seinem Weinbrunnen. Der handgeschnitzte Brunnen steht heute im Küfereimuseum.
Eberbachs Altstadtfront bot zum Kuckucksmarkt ein eindrucksvolles Bild. Lichterketten und Verkaufsbuden strahlten ein angenehmes Licht. Auf der gegenüberliegenden Neckarseite blinkte eine Leuchtreklame ihr doppeltes "Kuckuck". Die Verkäufer standen zwischen "Krone-Post" und Neckarbrücke. Statt der heutigen Bestellung im Internet, gab es eine sonntägliche Fahrt nach Eberbach. Das Einkaufspublikum kam vornehmlich vom Winterhauch, dem Kleinen Odenwald und dem Neckartal bis rauf nach Heilbronn.
Das Festprogramm hat Tradition. Freitags Eröffnung mit Fassanstich im Festzelt. Drei Böllerschüsse, wie eh und je auch heute. Sonntags Frühschoppen mit der großen US-Army-Band aus Heidelberg, nachmittags verkaufsoffene Geschäfte in der Innenstadt - Eberbachs Straßen waren proppenvoll. Montags Kinderfest, in der Au. Sackhüpfen, Eierlaufen, Baumklettern - wie heute. Montags morgens war schon immer der Tag der Eberbacher Betriebe. Aber früher war das Zelt zu dieser Zeit brechend voll. Der Meister saß mit seinen Leuten beim Bier zusammen. Die großen Baufirmen machten frei.
Die Fleckviehschau ist ein Eberbacher Markenzeichen. Sie war schon einmal ausgelagert an den Jahnplatz. Jetzt ist sie wieder beim Festgelände, am Dienstag in der Au. Eine Attraktion ist gänzlich ausgefallen: Früher trafen sich montags immer die Stadtvertretungen von Eberbach ("Kuckucke") und Michelstadt ("Bienen") zum Fußball-Wettkampf. Städtische Mitarbeiter und Stadträte versuchten ihr Bestes.
Dienstags zum Abschluss des Kuckucksmarktes stets das große "Brillantfeuerwerk". Tausende standen wie heute an der Bundesstraße und warteten darauf, dass die "Kuckuck-Kuckuck"-Leuchtreklame ausging. Ganze 15 Minuten lang war dann der bunte Feuerzauber auf der Wimmersbacher Seite, gezahlt von der Stadt und den Marktbeschickern.
Auf dieses Bier war Eberbach stolz: Anfangs floss nur das "Eberbacher Rosenbräu" im Zelt, vertraglich garantiert und persönlich ausgeschenkt vom Eigner der "Rosenbrauerei", Karl Knauber. Dann übernahm die Heilbronner Cluss die Firma. Und die Eberbacher hatten einen Genuss aus der Heimat weniger. Die Eberbacher feierten stets ihr Fest bis in die Puppen. Besonders beliebt: Die Musik der "Kornkammer Buam". Offizieller Schluss insbesondere im großen Zelt war um zwei Uhr nachts. Da konnte es schon mal sein, dass man hinterher in der Garage des VfB noch bei einem Bier zusammensaß. Bei den amtlichen Zeiten ist es bis heute geblieben.
Noch einmal gerückt wurde nach dem Bau der Turnhalle der Dr.-Weiß-Schule. Das Festzelt ging eine Etage tiefer in den Schulhof. Rund 2000 Gäste hatten beim genauso berühmten Festwirt Paul Langlotz einen Sitzplatz. Die Fahrgeschäfte wichen auf den Parkplatz Grüner Baum und den Leopoldsplatz aus. Der Rückbau des Hochwasserleitdammes an der Brücke brachte zwar vorübergehend noch etwas zusätzliche Fläche. Die Rücksichtnahme auf die Schulferien sorgte aber für andere Probleme. In den 1970er-Jahren begannen die Sommerferien in den Bundesländern zu rollieren. Lagen die in Baden-Württemberg nicht günstig zum August-Ende, stand der Schulhof nicht zur Verfügung. In der Innenstadt platzte der Markt ohnehin aus allen Nähten. Stellflächen für Fahrgeschäfte gab es kaum. Ausdehnungsmöglichkeiten für den Kuckucksmarkt waren in der Au genug. Das Fest zur Feier von 750 Jahre Stadt Eberbach im Jahre 1977 fand so großen Anklang, dass man auf neue Ideen kam. Im Jahr 1981 zog der Kuckucksmarkt auf die andere Neckarseite. Da kam auch wieder ein Riesenrad, heute Objekt von Sehnsüchten und Diskussionen, aber fast schon abgeschrieben. Und Alt- und Innenstadt wurden eben im Gegenzug die geeigneten Kulissen für den neuen "Eberbacher Frühling".
Zeitenwandel. Rund um den Kuckucksmarkt hat sich nach dem Umzug in die Au so einiges geändert. Zum einen ist er kontinuierlich kleiner geworden. Die breite Begeisterung von heimischer Bevölkerung und im Umland ist verloren gegangen. Ist das Wetter schlecht, gehen die Geschäfte nicht gut. Die Anziehungswirkung des großen Zeltes hat nachgelassen. Freitags und samstags fand man früher dort keinen Platz. Heute ein Bier zu viel, und dem Autofahrer kann die Heimreise zum Verhängnis werden. In einem kleinen Zelt trifft sich jetzt die heimische Jugend, im Pavillon bei der Stadthalle vor der Fährfahrt heimlich "vorgeglüht" mit billigem Hochprozentigem.
Das Marktmanagement ist einerseits professioneller geworden, muss sich aber jeder noch so kleinen Kritik stellen. Es gibt ein Marktbüro mit Standort direkt am Festplatz. Genügten dereinst zwei Polizeibeamte, um einer größeren Schlägerei im Festzelt Herr zu werden, ist die Polizei jetzt mit einer festen Wache verstärkt direkt vor Ort. Dazu marschiert noch eine Security auf, um das Hausrecht der Stadt durchzusetzen. Am Eingang werden auch noch Taschen und Rücksäcke kontrolliert. Freies Geleit und ungehinderten Zutritt zu einem Eberbacher Markt wie 1394 unter Pfalzgraf Ruprecht II. kann man eben heute nicht mehr einfordern. In 620 Jahren ist nicht alles friedlicher geworden.